In diesem Artikel beleuchten wir beide Finanzierungsformen, vergleichen die Vor- und Nachteile und helfen Ihnen zu entscheiden, welche Strategie Ihren unternehmerischen Erfolg sichert.
Was ist eigentlich Factoring? (Der Forderungsverkauf)
Bevor wir in den direkten Vergleich einsteigen, müssen wir die Begriffe klären. Beim Factoring handelt es sich nicht um einen Kredit im klassischen Sinne. Vielmehr ist es ein Asset-Deal. Sie verkaufen Ihre offenen Forderungen (Rechnungen an Kunden) an einen Finanzdienstleister, den sogenannten Factor.
Der Prozess ist simpel, aber effektiv:
- Sie erbringen eine Leistung und schreiben die Rechnung.
- Sie verkaufen diese Rechnung an den Factor.
- Der Factor überweist Ihnen sofort (meist innerhalb von 24 bis 48 Stunden) ca. 80–90 % der Rechnungssumme.
- Sobald der Kunde zahlt, erhalten Sie den Restbetrag abzüglich einer Gebühr.
Dabei profitieren Sie oft von einem entscheidenden Zusatznutzen: dem Delkredereschutz. Das bedeutet, der Factor übernimmt das Risiko, falls Ihr Kunde zahlungsunfähig wird.
Der Klassiker: Der Bankkredit (Kontokorrent & Darlehen)
Der Bankkredit ist das traditionelle Instrument der Unternehmensfinanzierung. Hierbei leihen Sie sich Geld von einem Kreditinstitut, das Sie über einen festgelegten Zeitraum inklusive Zinsen zurückzahlen.
Man unterscheidet im Tagesgeschäft meist zwischen zwei Formen:
- Kontokorrentkredit: Der „Dispo“ für Firmen. Er ist flexibel, aber teuer und dient kurzfristigen Engpässen.
- Investitionskredit: Ein langfristiges Darlehen für Maschinen, Immobilien oder Expansionen, das meist streng an Sicherheiten gebunden ist.
Während der Bankkredit über Jahrzehnte der Standard war, haben strengere Regularien (wie Basel III und IV) die Kreditvergabe erschwert. Viele Unternehmen suchen deshalb händeringend nach Alternativen.

Der direkte Vergleich: Factoring vs. Bankkredit auf einen Blick
Um die richtige Wahl zu treffen, müssen Sie die Unterschiede im Detail verstehen. Während der Bankkredit auf Stabilität setzt, punktet Factoring durch Flexibilität und Schnelligkeit. Doch wo liegen die Unterschiede im Detail?
Die folgende Tabelle stellt die wichtigsten Kriterien gegenüber, damit Sie schnell erfassen können, welches Instrument besser zu Ihrer aktuellen Situation passt.
| Kriterium | Factoring (Forderungsverkauf) | Bankkredit (Klassisch) |
| Liquiditätszufluss | Sofort (meist 24–48 Std. nach Rechnungsstellung). | Verzögert (abhängig von Prüfungsdauer und Bewilligung). |
| Benötigte Sicherheiten | Bonität Ihrer Kunden (Debitoren) ist entscheidend. | Dingliche Sicherheiten (Maschinen, Immobilien) oder Bürgschaften nötig. |
| Ausfallschutz (Risiko) | Ja, beim „echten Factoring“ übernimmt der Factor das Risiko bei Zahlungsausfall. | Nein, das Risiko eines Forderungsausfalls verbleibt voll bei Ihnen. |
| Wirkung auf die Bilanz | Bilanzverkürzung: Die Eigenkapitalquote steigt, da Forderungen abgebaut werden. | Bilanzverlängerung: Die Verbindlichkeiten steigen, was die Eigenkapitalquote drücken kann. |
| Kostenstruktur | Factoringgebühr + Zins (Kosten oft durch Skonto-Erträge kompensierbar). | Zinsen + evtl. Bereitstellungsgebühren. |
| Flexibilität | Umsatzkongruent: Die Finanzierungslinie wächst automatisch mit Ihrem Umsatz. | Starr: Die Kreditsumme ist fest vereinbart und muss oft neu verhandelt werden. |
| Idealer Einsatzzweck | Finanzierung von Wachstum, Materialeinkauf und laufenden Betriebskosten. | Finanzierung von langfristigem Anlagevermögen (Hallenbau, große Maschinenparks). |
Die Details hinter den Daten
Obwohl die Tabelle eine klare Tendenz zeigt, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Schlüsselfaktoren. Denn die „harten Fakten“ sind nur die halbe Miete – entscheidend ist, wie sich diese auf Ihren Alltag auswirken.
1. Geschwindigkeit und Verfügbarkeit
Hier gewinnt eindeutig das Factoring. Da der Umsatz bereits erbracht wurde (die Rechnung existiert ja schon), ist die Prüfung meist unkompliziert. Sobald die Factoring-Rahmenvereinbarung steht, fließt das Geld kontinuierlich. Ein Bankkredit hingegen erfordert oft wochenlange Prüfungen, Businesspläne und Bilanzanalysen. Wenn Sie schnell Liquidität brauchen, um beispielsweise Ware für einen großen Auftrag vorzufinanzieren, hat der Forderungsverkauf die Nase vorn.
2. Kosten vs. Nutzen
Ein Bankkredit ist – bei guter Bonität – auf den ersten Blick oft zinsgünstiger. Doch beim Factoring müssen Sie kaufmännisch gegenrechnen:
- Diese Einsparungen kompensieren die Factoring-Gebühr häufig komplett, sodass die Finanzierung unter dem Strich kostenneutral sein kann.
- Sie sparen interne Kosten für das Mahnwesen, da der Factor dies übernimmt.
- Durch die sofortige Liquidität können Sie bei Ihren eigenen Lieferanten Skonto ziehen (oft 2–3 %).
Die Macht der Zahlen: Eine konkrete Beispielrechnung
Oft wird der Einwand erhoben, Factoring sei „zu teuer“, da neben Zinsen auch Gebühren anfallen. Doch diese Sichtweise ist meist zu kurz gedacht. Wenn Sie die sofort erhaltene Liquidität nutzen, um Ihre eigenen Lieferantenrechnungen unter Abzug von Skonto zu bezahlen, dreht sich das Blatt häufig.
Wir gehen in diesem Szenario von einem mittelständischen Unternehmen mit folgenden Eckdaten aus:
- Monatlicher Forderungsumsatz: 100.000€
- Materialaufwand / Einkaufsvolumen: 50.000€ (ca. 50% vom Umsatz)
- Mögliches Skonto bei Lieferanten: 3%
- Factoring-Gebühr: 0,8% (marktüblicher Wert für gute Bonität)
- Zins: ca. 3,5% p.a. (auf den finanzierten Zeitraum gerechnet)
Rechnung: Kosten vs. Ertrag
In dieser Gegenüberstellung sehen Sie, was passiert, wenn Sie die Factoring-Erlöse sofort nutzen, um Ihre eigenen Verbindlichkeiten zu begleichen.
| Position | Berechnung | Betrag |
| 1. Kosten des Factorings | ||
| Factoring-Gebühr | 100.000€×0,8% | −800,00€ |
| Zinskosten (für ca. 45 Tage) | (geschätzt auf Basis der Finanzierungslinie) | ca. −150,00€ |
| Summe der Kosten | −950,00€ | |
| 2. Erträge durch Liquidität | ||
| Einkaufsvolumen | 50.000€ | |
| Skonto-Ertrag durch Sofortzahlung | 50.000€×3,0% | +1.500,00€ |
| Summe der Erträge | +1.500,00€ | |
| Gesamtergebnis | Ertrag – Kosten | +550,00€ |
Das Ergebnis: Gewinn statt Kosten
Wie Sie in der Tabelle sehen, kostet Sie das Factoring zwar 950€, jedoch erwirtschaften Sie durch die Nutzung von Skonto 1.500€.
Das bedeutet:
- Sie haben die Finanzierungskosten komplett gedeckt.
- Sie haben zusätzlich einen Gewinn von 550€ erzielt.
- Zudem ist Ihr Konto im Plus und Sie sind gegen Forderungsausfälle versichert.
Würden Sie stattdessen auf den Zahlungseingang Ihrer Kunden warten (oft 30 bis 60 Tage), könnten Sie das Skonto nicht ziehen. Das „Warten“ wäre in diesem Fall also teurer als die Factoring-Gebühr. Diese Rechnung zeigt eindrucksvoll, warum Factoring für handels- und materialintensive Branchen oft die wirtschaftlich klügere Entscheidung gegenüber dem klassischen Bankkredit ist.
Entscheidungshilfe: Wann lohnt sich was?
Damit Sie nicht lange grübeln müssen, haben wir typische Szenarien zusammengefasst.
Wählen Sie Factoring, wenn…
- Sie schnell wachsen und Ihre Liquidität nicht mit dem Umsatz Schritt hält (Wachstumsfinanzierung).
- Sie lange Zahlungsziele (30, 60 oder 90 Tage) gewähren müssen, das Geld aber sofort brauchen.
- Sie sich vor Forderungsausfällen schützen wollen.
- Sie Ihre Bilanz verkürzen möchten, um die Eigenkapitalquote zu verbessern (durch Abbau von Forderungen).
- Sie Ihre Kreditlinie bei der Bank für langfristige Investitionen schonen wollen.
Wählen Sie den Bankkredit, wenn…
- Sie langfristige Anschaffungen planen (z. B. Bau einer neuen Halle), die über Jahre abgeschrieben werden.
- Sie eine hervorragende Bonität und Sicherheiten besitzen, wodurch Sie extrem niedrige Zinsen erhalten.
- Sie nur einen sehr kurzfristigen, einmaligen Engpass überbrücken müssen und keine dauerhafte Finanzierungslösung suchen.
- Ihre Kundenstruktur für Factoring ungeeignet ist (z. B. sehr viele Kleinstrechnungen an Privatpersonen, wobei auch hier Fintechs Lösungen bieten).
Fazit: Die Mischung macht’s
Die Frage „Factoring oder Bankkredit?“ muss kein „Entweder-oder“ sein. Viele erfolgreiche Finanzchefs nutzen eine hybride Strategie. Sie finanzieren das Anlagevermögen (Maschinen) klassisch über die Bank und nutzen Factoring für das Umlaufvermögen (Working Capital), um im Tagesgeschäft flüssig zu bleiben.
Sowohl der Bankkredit als auch Factoring haben ihre Daseinsberechtigung. Während die Bank Stabilität für große Projekte bietet, liefert Factoring die nötige Flexibilität und Sicherheit im operativen Geschäft. Indem Sie beide Instrumente verstehen und smart kombinieren, machen Sie Ihr Unternehmen wetterfest gegen Finanzkrisen.
Die häufigsten Fragen zu „Factoring oder Bankkredit?“
Der Hauptunterschied liegt in der Art der Kapitalbeschaffung: Ein Bankkredit ist geliehenes Fremdkapital, das die Verschuldung erhöht. Factoring hingegen ist ein Forderungsverkauf (Asset-Deal), bei dem Sie offene Rechnungen in sofortige Liquidität umwandeln. Zudem beinhaltet echtes Factoring oft einen Ausfallschutz, den ein klassischer Kredit nicht bietet.
Rein nominal sind Bankzinsen oft niedriger als Factoring-Gebühren. Allerdings müssen Sie die Gesamtkosten betrachten: Durch die sofortige Liquidität beim Factoring können Sie Lieferantenskonti nutzen und Rabatte aushandeln, was die Gebühren oft vollständig kompensiert. Zudem sparen Sie interne Kosten für das Mahnwesen, die beim Bankkredit weiterhin anfallen würden.
Factoring ist ideal für Unternehmen im Wachstum sowie für Betriebe im Handel, in der Produktion oder im Dienstleistungssektor, die ihren Kunden lange Zahlungsziele gewähren müssen. Es eignet sich besonders dann, wenn die Kreditlinien bei der Bank ausgeschöpft sind oder keine dinglichen Sicherheiten (wie Immobilien) für einen Bankkredit zur Verfügung stehen.
Das hängt von der Art der Finanzierung ab. Beim Bankkredit tragen Sie das volle Risiko; fällt eine Zahlung aus, müssen Sie den Kredit trotzdem bedienen. Beim echten Factoring hingegen übernimmt der Factor den sogenannten Delkredereschutz. Das bedeutet: Wird Ihr Kunde zahlungsunfähig, erhalten Sie Ihr Geld trotzdem und müssen es nicht zurückzahlen.
Factoring hat meist einen positiven Effekt auf das Bank-Rating. Da Sie Forderungen verkaufen, verkürzt sich Ihre Bilanzsumme, wodurch die Eigenkapitalquote rechnerisch steigt. Eine höhere Eigenkapitalquote signalisiert Stabilität und verbessert oft die Konditionen für zukünftige Kredite bei Ihrer Hausbank (Bilanzstrukturmanagement).
Factoring ist deutlich schneller als die Beantragung eines Bankkredits. Während Kreditprüfungen oft Wochen dauern, fließt das Geld beim Factoring im laufenden Betrieb meist innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach Einreichung der Rechnung. Dies macht Factoring zu einem sehr flexiblen Instrument zur kurzfristigen Liquiditätssicherung.